Dieser Artikel erschien ursprünglich als 12-seitiger Beitrag von uns in der "50 Jahre NATUR FOTO" Jubiläumsausgabe, im November 2019!
Auch wenn in den „Lower 48“, den unteren Bundesstaaten der USA, kaum eine Landschaft in Gefahr läuft „vergessen“ zu werden, jedenfalls nicht von Naturfotografen im 21. Jahrhundert, so ist der Titel dieser Story dennoch nicht ganz falsch. Besser wäre freilich „der vermiedene Dschungel“, aber das klingt nicht annähernd so mystisch, wie es doch die Zypressensümpfe des „Tiefen Südens“ nun einmal sind! Es sind Landschaften, in denen sich beinahe alles wiederfindet, was uns Naturfotografen als anziehend erscheint. Allein nur der Wald betrachtet, mit Jahrtausenden alten, mächtigen und knorrigen Bäumen, würde Landschaftsfotografen anlocken, wie der Speck die Mäuse. Besonders die riesigen Luftwurzeln (bei den Einheimischen „Knie“ genannt), die so bizarr geformt sind und mitunter hoch aus dem Wasser ragen, machen Zypressenwälder so einzigartig. Um die märchenhafte Szenerie noch weiter zu optimieren, hängen Bromelien, Spanish Moss genannt, wie lange blonde Haarstränen von den Ästen und verwandeln selbst gewöhnliche Bäume in magische Skulpturen. Nun steht der ganze Wald auch noch im Wasser, dem Lieblingselement der Naturfotografen schlechthin. Alle Motive spiegeln sich gleich noch einmal im stillen Wasser!
Und es kommt noch besser: In den Zypressensümpfe wimmelt es von Tieren in allen Größen und Formen.
Abermillionen Frösche und andere Amphibien, eine immens artenreiche Vogelwelt, vom Weißkopfseeadler bis zum Pelikan, Ibisse, Eulen, Enten, Kormorane, diverse Specht- und Reiherarten oder Eisvogel, um nur ein paar wenige Arten zu nennen, die man fix einplanen kann. Waschbären, Fischotter, Biber, Nutrias und Gürteltiere sehe ich auf jeder Fotoreise. Natürlich auch Reptilien. Unterschiedlichste Arten von Schildkröten und Schlangen oder Echsen. Alligatoren sind allgegenwärtig, was nicht unbedingt bedeutet, dass man sie permanent sieht. Speziell im Herbst machen sie sich eher rar. So oder so – man braucht vor ihnen keine Angst zu haben, Respekt jedoch schon. Schwimmen ist in den Sümpfen ohnehin nicht angesagt. Im trüben Wasser verstecken sich allerlei ziemlich große Fische und überall liegt Totholz herum. Und, ja, Insekten gibt es natürlich auch. Jene der faszinierenden Sorte, wie Schmetterlinge, Käfer, Spinnen und tausende andere – aber auch die, der blutsaugenden Sorte. Wer in der schönsten Zeit des Jahres, im Herbst, die Sümpfe besucht, muss diesbezüglich nicht in Panik verfallen. Damit auch zum letzten Vorzug des vergessenen Dschungels: Sumpfzypressen werfen als einzige Vertreter ihrer Art im Herbst das Laub ab. Allerdings nicht ohne zuvor für eine spektakuläre Verfärbung zu sorgen. Von gelb bis orange, hin zu unterschiedlichen Rottönen und am Ende braun werdend. Selbst wenn das Laub abgefallen ist, liefert es im Wasser treibend oder an den Luftwurzeln liegend noch schöne Motive ab. Selbst zu jener bunten Jahreszeit strotzt der Wald noch voller Leben.
Nachdem ich nun zeilenlang geschwärmt habe, stellt sich freilich die Frage, wieso sich das Angebot und die Fülle an beeindruckenden Fotos aus den Zypressensümpfen in sehr überschaubaren Mengen halten. Wo sich doch andernorts gleich zehntausende Fotografen heutzutage gerne an schönen Landschaften erproben. Island fiele mir da ein. Oder das Fotografieren von Polarlichtern in Norwegen.
Ein Erklärungsversuch. Seit gut zehn Jahren komme ich nun ein bis zweimal pro Jahr in unterschiedliche Gebiete in Louisiana und im östlichen Texas, um mich jedes Mal erneut verzaubern zu lassen. „Mit meiner Fotoausbeute war ich nur bedingt zufrieden. Es wird noch mehr Anstrengungen und mehr Zeit bedürfen aber im nächsten Jahr werde ich es wieder versuchen.“ – so endete mein erster Beitrag über diese Landschaft im NATUR FOTO im Oktober 2011. Im Grunde könnte dieser Bericht, den Sie gerade lesen, ziemlich genau acht Jahre und mehr als zehn weitere Reisen in die Zypressensümpfe später, wortgleich enden. Im Herbst 2019 bin ich wieder dort unterwegs – zu viele fotografische Rechnungen sind noch offen. Doch es hat sich natürlich auch so einiges geändert. Allem voran mein Wissen über das Potenzial des Gebietes und die daraus resultierenden Erwartungshaltungen. Oft ist es schwierig, hohen Erwartungen fotografisch gerecht zu werden. Doch wer einmal tiefer an der Oberfläche kratzt, öffnet sich auch eine Tür in eine faszinierende Welt. Nach all den vielen Reisen hierher, arbeite ich aktuell an einem Bildband über die Zypressensümpfe und kann daher nicht behaupten, nicht schon einige zufriedenstellende Ergebnisse geschafft zu haben. Doch jedes Mal eröffnet sich eine neue Facette, ein neues Motiv taucht in meinem Gehirn auf und lässt mir keine Ruhe. Zu Beginn war es deutlich leichter. Auf meiner ersten Reise hatte ich keinerlei Erwartungen, was die Fotoausbeute betrifft, zu viele organisatorische und gebietsspezifische Unwägbarkeiten waren im Spiel. Hitze, Wasser, Kanu, Alligatoren, Stechmücken, Giftschlangen - um nur ein paar davon zu nennen. Stichwort „vermiedener“ Dschungel. Vor Antritt meiner ersten Zypressen-Reise, war mein Wunsch einfach nur, zumindest einen Tag diese Motive in einem Kajak sitzend vor Augen zu haben.
Wie viele andere Locations auf der Welt, strömen Naturfotografen gerne dorthin, wo es „leicht geht“. Wo man alle benötigten Infos betreffend Anreise und (möglichst angenehme) Bedingungen vor Ort aus dem Internet fertig serviert bekommt. Oder noch besser: Wo dies andere für einen…
Den ganzen Artikel findet man in der November 2019 Ausgabe des Magazins NATUR FOTO (D).
Mehr Bilder zum Thema “Cypress Swamps” finden sich in den Portfolios.