Erste Gedanken, zu diesem Thema auch einmal ein paar Zeilen zu verfassen, hatten wir bei der Arbeit für unser Buch “TIMES & TRANSITIONS”. Daraus wurde später der hier folgende Artikel “Beruf Landschaftsfotograf”, der im Magazin NATUR FOTO #8/2021 erschien. (allerdings leider nicht online verfügbar ist. Es zirkulieren ja so einige Ratgeber zum Thema “Beruf Landschaftsfotograf”. Meist bedienen sie eine Klischeevorstellung eines Berufes, den es so nie gab und in den seltensten Fällen sind diese “Ratgeber” von Fotografen verfasst, die tatsächlich je ihren Lebensunterhalt mit Landschaftsfotografie verdient haben. Für gut zwei Jahrzehnte, grob gesagt von 2000 bis 2020, war die Landschaftsfotografie für Verena und mich jedoch unser Brotberuf. Schon immer hat sich auch das Fotografieren von Tieren, Natur-, Outdoor- & Reisestories oder speziellen Detailaufnahmen dazu gemischt. Aus einer ursprünglichen Verteilung von etwa 80:20 Prozent zugunsten der Landschaften, ist heute ein 50:50 geworden. Warum es für uns - ganz subjektiv gesehen natürlich - nicht das Gleiche ist, tatsächlich von der Landschaftsfotografie zu leben, als Fotoreisen zu veranstalten und noch ein paar Gedanken zu dem Thema, haben wir versucht in diesem Artikel zusammenzufassen. Feedback, Anregungen, Kritik gerne via Email an uns…
Durch die Welt reisen, die schönsten Orte besuchen, ein paar Bilder machen und davon auch noch leben können – Dauerurlaub sozusagen. Landschaftsfotograf ist ein Traumberuf – oder? Die harte Realität hat mit derlei platten Klischees wenig zu tun. Im echten Leben wollen Miete und Krankenversicherung bezahlt sein, die Kinder behütet und erzogen und natürlich Kunden gefunden werden, die die schönen Bilder zu angemessenen Preisen kaufen. Der Beruf Landschaftsfotograf erfordert nicht nur physische Robustheit, sondern reichlich Wagemut, Durchhaltevermögen, eine gewisse Leidensfähigkeit und – insbesondere, wenn eine komplette Familie ihr Auskommen finden soll – ausgeprägte Multitasking-Fähigkeiten. Nix für Weicheier also. Verena Popp-Hackner und Georg Popp stellen sich diesen Herausforderungen nun seit rund zwei Jahrzehnten und berichten, wie ihnen das bislang gelungen ist.
»Und was machen Sie so beruflich?« Vielleicht geht es nur uns so, aber selbst nach 25 Berufsjahren als Naturfotografen ruft diese Frage ein seltsames Gefühl hervor. Denn etwa 20 Jahre lang, ungefähr von 1999 bis 2019, lautete unsere Antwort darauf: »Ich bin Landschaftsfotograf!« Und darauf folgt jedes Mal eine kompliziertere Frage. Doch dazu später.
Im Grunde hätte der Titel dieses Beitrages nicht »Beruf: Landschaftsfotograf« lauten sollen. Es war ein Arbeitstitel für eine Story, wie sich – anhand uns als Beispiel – das Berufsleben eines solchen im Wandel von mehr als zwei Jahrzehnten verändert hat. Zwei Jahrzehnte, in denen sich das gesamte Genre Fotografie so massiv verändert hat wie nie zuvor und vielleicht auch nie wieder danach verändern werden wird. Aber wenn wir schon dabei sind, stellen wir auch gerne unsere subjektiven Ansichten dazu in den Raum, was wir unter dem »Beruf Landschaftsfotograf« verstehen und warum uns das wichtig ist.
Rückblick als Denkanstoß
Anlass, darüber genauer nachzudenken, war die Eigenproduktion unseres ganz persönlichen Bildbandes über genau diese 20 Jahre, inklusive einem Kapitel über die Anfangsjahre davor. Ein volles Jahr haben mich die vielen persönlichen Texte und das Zusammenstellen der Portfolios samt Auflistung der Jahreszahlen und all der technischen Daten zu den Fotos beschäftigt. So viele wunderbare Arbeitsplätze: Österreich, Europa, die USA samt Alaska, Kanada, Neuseeland und Australien und am Ende sogar unsere Heimatstadt Wien. Von diesen 20 Jahren verbrachten wir doch tatsächlich gut acht Jahre auf Reisen! Das hat uns selbst überrascht…
Unser Bildband »Times and Transitions – 20 Jahre Landschaftsfotografie« wurde zwar ein edel aufbereitetes, 400 Seiten starkes Werk, das jedoch angesichts des hohen Preises immer ein Sammler-/Liebhaberstück in geringer Auflage bleiben und daher niemals rentabel sein wird. Kein Verlag der Welt hätte mit eher unbedeutenden Fotografen wie uns so ein Werk je realisiert. Egal, wir waren 2019 gefühlt an einem Wendepunkt angekommen und für uns persönlich war es einfach wichtig, diese Zeit aufzuarbeiten und darüber zu reflektieren. Auch um zu wissen, wohin wir weiterhin mit unserer Arbeit gehen wollen.
Kinder und Beruf
Zwei Kinder großzuziehen und sich parallel mit Haut und Haaren der Landschaftsfotografie als Beruf zu verschreiben, ist für uns ein abgeschlossenes Kapitel (die Kinder sind mittlerweile quasi erwachsen). Doch wir sind auch überzeugt, dass sich so etwas generell nicht mehr wiederholen lässt. Von Kollegen in den USA vielleicht abgesehen, kennen wir auch nur wenige, die diesen Weg je gegangen sind. Eltern zu sein und gleichzeitig eine freiberufliche Karriere als Landschaftsfotografen-Ehepaar, quasi von Null weg zu starten, ist durchaus eine Herausforderung für die persönlichen Schutzengel. Insbesondere, weil es in jene zwei Jahrzehnte fiel, die so intensiv von radikalen Veränderungen – von analog zu digital, Telefon/Fax zu E-Mail und Internet etc. – bestimmt waren, dass es selten möglich war, innezuhalten und überhaupt nachzudenken. Natürlich schwingt da aus heutiger Sicht unweigerlich ein wenig Stolz auf das Erreichte mit, doch angesichts der vergangenen eineinhalb Jahre der Pandemie wurde uns noch viel deutlicher bewusst, wie viel pures Glück dabei mitgespielt hat. Jedenfalls mehr Glück, als es das Risiko wert wäre. Oder etwa nicht?
Enge Motivnische
Wer sich, so wie wir, über so viele Jahre fast ausschließlich auf das Fotografieren und Vermarkten von Landschaftsfotos konzentriert hat, muss das mit kompromissloser Leidenschaft betreiben. Da bleibt nicht viel Raum für andere Motive, auch wenn man im Zuge der vielen Reisen das eine oder andere Wildlife-Foto macht oder Outdoor-Fotos beim Kajakfahren, Wandern und dergleichen, um die nachträgliche Vermarktbarkeit im Magazin-Sektor zu erhöhen. Wer es wagt, in diese winzige Nische der Fotografie mit einem »Sprung ins kalte Wasser« einzutauchen, bekommt zwangsweise auch eine sehr individuelle Sicht auf dieses Genre. Ein Genre, in dem mittlerweile getäuscht und geblendet wird, dass es eine Freude ist. Fotografen stellen sich eine Liste mit Hotspots zusammen, düsen ein paar Wochen um die Welt und kehren als »weltbekannte« Landschaftsfotografen zurück.
Man entwickelt eine sehr persönliche Grundeinstellung zum »Beruf Landschaftsfotograf«. Was gehört dazu, was nicht, wo zieht man eine Linie, die man nicht überschreiten will? Eine Frage, die uns von Beginn an immer immens wichtig war und immer sein wird: Wofür wollen wir stehen? An was sollen Menschen denken, wenn sie unserer Arbeit über diesen langen Zeitraum hinweg gefolgt sind? Dazu gehörten der Umgang mit Photoshop bzw. digitaler Bildbearbeitung an sich, die Ehrlichkeit und Authentizität der Fotografien, aber auch der Fotografen dahinter. Alle von uns haben gewisse Phasen, in denen wir experimentieren und uns von neuen Techniken faszinieren lassen. Entscheidend ist allerdings, was präsentiere ich davon nach außen? Wer seine Bilder als Photoshop-Fantasien präsentiert, die mit realen Szenerien, so wie sie auf der Erde vorkommen, nichts mehr zu tun haben, hat sich für eine Richtung entschieden, aus der es schwer ist, wieder herauszukommen. Aber wir alle wissen, dass man darin auch sehr erfolgreich sein kann.
In Projekten denken
Und ein ebenso immens wichtiger Punkt für uns: Wie soll unser Geschäftsmodell funktionieren? Fast alle guten und erfolgreichen Landschaftsfotografen, die wir kennen, treibt meist ein bestimmtes projektorientiertes Denken an. Am Beginn des Projektes steht dabei in der Regel der Blick auf das Ende: Nämlich, mit seiner Fotografie einen bestimmten, wohldurchdachten Output zu schaffen. Einen Beitrag für ein Naturmagazin als kleinste Zielsetzung, eine Ausstellung, ein Kalender, ein Vortrag oder ein Buch als ambitioniertes Ziel. Sprich: Eine kohärente Serie von Bildern – eine fotografische Arbeit zu schaffen. An einem Bildband kann man durchaus einmal ein ganzes Jahr arbeiten. Je nachdem wie geschickt man ist, lassen sich mit einem Buch einige tausend Euro verdienen, mit einem Kalender weniger aber immerhin auch etwas. Mehrere Projekte parallel sind also vonnöten und die (guten) Ideen dazu ebenso. Und zwar über viele Jahre hinweg. Hat man keinen Verlag, der Druckkosten und Vertrieb und eventuell auch die Gestaltung übernimmt, leistet man schnell auch eine Vorkasse in der Höhe eines mittelgroßen Neuwagens. Es braucht daher sehr viel Vertrauen in die eigene Schaffenskraft, um sich darauf einzulassen. Und Zeit. Viele Fotoprojekte amortisieren sich erst nach Jahren, etwa durch Einzelverkäufe jener Bilder, die im Zuge eines Projekts entstanden sind. Für Verena und mich war es – alleine wegen unserer Lebensumstände mit kleinen Kindern und ohne jegliches Startkapital – fast zwingend notwendig, einen Jahresumsatz in Höhe einer sechsstelligen Euro-Summe zu erreichen – und Jahr für Jahr zu halten. Alleine um jeweils für ein weiteres Jahr die Freiheit zu haben, persönlichen Projekte in die Realität umzusetzen und zusätzlich etwas ansparen zu können. Und dies eben mittlerweile über eine Zeitspanne von über 20 Jahren. Wer mit dem Druck so eines Drahtseilaktes nicht umgehen kann, wird vermutlich entnervt scheitern.
Fotografie leben
Natürlich kann man nicht permanent mit so einem Erfolgsdruck im Nacken leben. Mit der Zeit blendet man ökonomische Faktoren des Berufes einfach aus. Verena und ich haben von Beginn an die Einstellung gehabt, dass Landschaftsfotografie weniger ein Beruf als eine Art »Lifestyle« ist. Kaum etwas lässt sich vorausplanen, man muss bereit sein, sich in gewisser Weise treiben zu lassen. Es dreht sich am Ende immer alles um das ideale Wetter, die ideale Jahreszeit, die besondere Location. Und um Zeit. Und Glück. Der Weg ist das Ziel.
Wie man sich gut vorstellen kann, zweifelt man als Landschaftsfotograf auch leicht an der Wahl des Geschäftsmodells. Hält man es durch? Hat man überhaupt die persönlichen Eigenschaften, deren es bedarf? Bleibt man seinen Träumen treu oder macht man alles mit, was Geld bringt? Vielleicht klingt das eigenartig, aber wir haben in all den Jahren sehr wohl gelernt, dass dich nicht jeder »Deal« – so verlockend er kurzfristig er sein möge – auf lange Sicht weiterbringt. Es half uns immer, uns folgenden Grundsatz vor Augen zu halten: Fotografen leben von der Vermarktung ihrer eigenen Fotos und vom Erfüllen von Fotoaufträgen für Kunden. Punkt.
Zusatzqualifikationen
Freilich trifft Letzteres heutzutage immer seltener zu und Ersteres ist eben kompliziert, bedarf Erfahrung und viel Durchhaltevermögen. Beim Erreichen dieses Zieles hilft es, wenn man auch gut und gerne Texte schreibt, sich mit Layout-Programmen wie InDesign auskennt, zu wissen, wie man Videos dreht (und schneidet), Präsentationen macht, sich Förderungen oder Kooperationspartner erschließt, Netzwerke knüpft und noch so einiges mehr. Am Ende kommt es dennoch nur auf die Fotos an.
Über organisierte Fotoreisen
Gleichzeitig leben wir in Zeiten, wo – entgegen jeglicher realer Chance – immer mehr Menschen versuchen, mit ihrem Hobby der Naturfotografie (vornehmlich auf schönen Reisen) Geld zu verdienen. Da dies gleichzeitig jedoch kein leichtes Unterfangen ist (und nie war!), entstehen Berufsgruppen, die nur mehr bedingt in die Sparte »Fotografen« gehören. Einige davon entwickeln sich in eine Richtung, die man als Naturfotograf leider nur noch sehr argwöhnisch beäugen kann: Das kommerzielle Veranstalten von Fotoreisen als primäre Einnahmequelle ist genaugenommen ein anderes Berufsgebiet. Wer sich für diese Richtung entscheidet, wird auch dabei bleiben (müssen). Auch als »Foto-Workshops« getarnte Fototouren sollte man durchaus kritisch betrachten. Drei für uns extrem abschreckende Punkte waren seit jeher, dass A) die eigene Fotografie dann fast nur mehr für die Bewerbung dieser Reisen oder des Workshops dient. B) das berufliche Ziel auch eigentlich nicht mehr die Fotografie per se ist, sondern – wenn man ehrlich ist – nur noch das Herankarren möglichst vieler »Klienten« zu möglichst spektakulären (und immer neuen) Naturlandschaften. Und C) die damit einhergehende Fehleinschätzung, was gute Landschafts- (oder generell Natur-) Fotografie eigentlich ausmacht.
Wer mit seinen Bildern Geld verdienen will, muss etwas anderes versuchen als an Fotoreisen teilzunehmen. Zu glauben, neben zig anderen Fotografen zu stehen und Fotos zu schießen, die einem von einem Foto-Reiseleiter überhaupt erst ermöglicht wurden, bringt dich in der Fotografie beruflich irgendwohin, ist absurd. Am Ende jedoch entfacht die Illusion, mit scheinbarer Leichtigkeit (und dem Bezahlen der Rechnungen) anhand von Fotoreisen zu fantastischen Bildern zu kommen, einen Trend, der allem, wofür das ursprüngliche Erlebnis, irgendwo draußen mit seiner Kamera in der Natur und mit den Motiven zu verschmelzen, im Grunde entgegenläuft. Eine Entwicklung, die leider von einer überwältigenden Zahl an Hobbyfotografen vorangetrieben wird, die aber im Grunde nur die wenigsten professionellen und verantwortungsvollen Naturfotografen gutheißen können. Für uns fühlt es sich bereits falsch an, Landschaftsfotos mit Ortsangaben ins Netz zu stellen. Naturfotograf zu sein, hatte doch auch immer etwas mit Integrität gegenüber Umweltschutz zu tun oder sehen wir das zu altmodisch? Uns macht schon der CO2-Fußabdruck nachdenklich, der durch unsere Arbeit entsteht. Wir möchten nicht noch für Dutzende weitere verantwortlich sein.
Bildbände in Eigenregie
Ganz und gar nicht falsch angefühlt hat es sich hingegen, anstatt auf die schnellen Likes im Web auf das (Selber-) Produzieren von schönen Bildbänden zu setzten. Nach unserem »Times and Transition«-Buch, haben wir »Blut geleckt« und eine ganze Reihe weiterer Bände geplant.
Am Ende ist alles nur viel Gerede um eine simple Tatsache: Den »Beruf Landschaftsfotograf« gibt es nicht mehr. Es besteht kein entsprechender Bedarf. All jene, die von einem Leben mit Landschaftsfotografie als Einnahmequelle träumen, sollten dieser Tatsache ins Auge sehen. Auch für uns ist dieser Satz – geschrieben von uns selbst im Jahr 2021 – eine Art Treppenwitz der persönlichen Geschichte. Als Verena und ich vor etwa 25 Jahren mit dem Gedanken spielten, unsere berufliche Zukunft einzig mit der Landschaftsfotografie zu bestreiten, hätte es wohl kaum jemanden in unserem Umfeld gegeben, der dies als real existierende Option betrachtete. Unsere einzigen Vorbilder stammten durch die Bank aus den USA und wir kannten sie nur per Namen, weil wir deren Bücher und Magazinbeiträge konsumierten, als wären es unverzichtbare Grundnahrungsmittel. Deren Alltag, mit Großformat-Plattenkameras ausgerüstet, die Nationalparks und wilden Naturlandschaften zu erkunden und zu porträtieren, war unser großer Traum. Nur eben übertragen auf Europa – gerade weil es diesen Beruf hier nicht gab. Am Ende hat sich einiges ganz anders dargestellt, doch Träume setzen große Kräfte frei – auch heute noch.
Jedes Mal, wenn wir mit »Wir sind Landschaftsfotografen!« auf die eingangs erwähnte Frage geantwortet haben, folgte die erwartete Frage: »Und davon kann man leben?« Damals wie heute können wir das nicht mit Sicherheit beantworten. Nur eines ist sicher: Wer es nicht versucht, wird es auch nie herausfinden.